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Aktualisiert am: 03.02.2022

Die ersten Stunden nach der Geburt sind für Mutter und Kind physisch und psychisch eine große Herausforderung. Vor allem die Geburt des ersten Kindes ist für die Mutter eine völlig neue Erfahrung, die trotz einer guten Geburtsvorbereitung für einige Überraschungen und Unsicherheiten sorgen kann.

Die ersten 24 Stunden nach der Geburt im Krankenhaus

Die meisten schwangeren Frauen entscheiden sich für eine Geburt im Krankenhaus. Sowohl bei einer natürlichen Geburt als auch bei einem Kaiserschnitt durchlaufen Mutter und Kind zunächst eine Routine, die das Wohlergehen von beiden sicherstellen soll.

Im Detail kann sich das Prozedere dabei von Krankenhaus zu Krankenhaus unterscheiden. Für gewöhnlich folgt auf die Geburt des Babys zuerst der Blick auf die Uhr. Die Geburtszeit wird dokumentiert und gelegentlich auch auf der Geburtsurkunde eingetragen.

Die Nabelschnur – Wunderwerk der Natur

Über die Nabelschnur wird das Baby während der gesamten Schwangerschaft mit Nährstoffen versorgt. Nach der Geburt sorgt das Pulsieren der Nabelschnur einige Minuten lang für eine ununterbrochene Versorgung des Babys mit Mineralstoffen und Sauerstoff.

Vor dem Durchtrennen der Nabelschnur wird zunächst der Puls des Säuglings geprüft. Dieser lässt sich am Pulsieren der Nabelschnur problemlos ablesen. Die normale Herzfrequenz direkt nach der Geburt liegt bei etwa 100 Schlägen pro Minute.[1]

Im Anschluss wird das Neugeborene abgetrocknet und stimuliert. Dies regt die Atmung an und führt bei vielen Babys zum ersten Schreien. Beim Abtrocknen werden Blut, Fruchtwasser und ein Teil der Käseschmiere von der Haut des Babys entfernt. Durch das Anregen der Durchblutung entwickelt sich außerdem die rosige, gesunde Hautfarbe des Neugeborenen.

Innerhalb der ersten ein bis zwei Minuten nach der Geburt wird außerdem die Nabelschnur durchtrennt. Dafür werden zwei sogenannte Nabelklemmen verwendet, die in einem Abstand von einigen Zentimetern die Blutzufuhr unterbinden.

In fast allen Krankenhäusern ist es möglich, dass der Vater des Kindes die Nabelschnur durchtrennt, solange keine medizinischen Gründe wie beispielsweise ein Notfall dagegensprechen.

Zur Durchtrennung der Nabelschnur wird eine sterile Schere verwendet. Weil in der Nabelschnur keine Nerven verlaufen, kann sie schmerzlos durchgeschnitten werden. [2]

Die obere Klemme verbleibt zunächst am Ende der Nabelschnur. Ihr korrekter Sitz wird von der Hebamme nochmals geprüft, um lebensgefährliche Blutverluste zu verhindern.

Der am Baby verbleibende Rest der Nabelschnur ist in der Regel einige Zentimeter lang. Die dort verbliebene Nabelklemme wird erst nach etwa zwei bis drei Tagen entfernt.[3]

Der Rest der Nabelschnur trocknet ein und fällt nach etwa sieben bis zehn Tagen von selbst ab. Um Infektionen vorzubeugen, sollten Eltern sich bei der Nabelpflege von ihrer Hebamme beraten lassen.

Die oberste Regel der Nabelpflege lautet jedoch immer: Der Nabel sollte trocken gehalten werden, damit der Nabelschnurrest problemlos eintrocknen kann. Manche Hebammen empfehlen, den Nabel mit einer sterilen Kompresse abzudecken.

Solange die Wunde sauber und trocken gehalten wird, kann der Nabel auch ohne Verband abheilen. Beim Wickeln sollten die Eltern darauf achten, Nabelschnur und Klemme nicht mit der Windel abzudecken.

Das Nabelschnurblut – Spenden, einlagern oder verwerfen?

Wie mit dem Blut in der Nabelschnur direkt nach der Geburt verfahren werden soll, müssen Eltern zwingend schon vor der Geburt entscheiden. Weil das Nabelschnurblut Stammzellen enthält, bietet es einzigartige Therapieoptionen bei schweren Erkrankungen wie z. B. Blutkrebs (Leukämie).

Die Stammzellen im Nabelschnurblut sind deswegen so wertvoll, weil sie nicht auf eine spezielle Körperfunktion festgelegt sind. Sie sind also universell nutzbar und können so vielfältig eingesetzt werden.

Mit dem Blut aus der Nabelschnur kann unterschiedlich verfahren werden. Legt man vor der Geburt fest, dass das Nabelschnurblut eingelagert werden soll, hält man für sein Kind die Option offen, im späteren Verlauf des Lebens eine perfekt passende Stammzellspende erhalten zu können.

Die Organisation und das Einlagern bei einer privaten Stammzellbank sind mit Kosten in Höhe von etwa 1.000 bis 2.500 € verbunden. Außerdem muss jährlich eine Gebühr für den Lagerplatz entrichtet werden.[4]

Entscheidet man sich für das Einfrieren des Nabelschnurblutes, sollte man sich vorher ausführlich von einem Mediziner über die Vorteile und das Potential der Behandlungsmöglichkeiten beraten lassen. Derzeit ist das Einsatzspektrum der Stammzellen deutlich begrenzt.

Weil das Blut bei korrekter Lagerung jedoch jahrzehntelang verwendbar bleibt, erhoffen sich viele Eltern und auch Mediziner, dass die Stammzellen in der Zukunft von Nutzen sein könnten, wenn der medizinische Fortschritt neue Therapien mit Stammzellen erschließt.[5]

Optional kann das Nabelschnurblut auch gespendet werden. Zu diesem Zweck wird es in eine öffentliche Stammzellbank eingelagert und steht dort weltweit Patienten mit Blutkrebs (Leukämie) zur Verfügung. Die Spende ist kostenfrei und sollte genau wie das Einlagern für den persönlichen Bedarf unbedingt schon vor der Geburt organisiert werden.[6]

Erstversorgung des Babys – Früherkennungsuntersuchung U1

Nach dem Abnabeln wird das Neugeborene nicht mehr mit Sauerstoff aus der Plazenta versorgt und muss selbstständig atmen, um seinen Kreislauf aufrecht zu erhalten. Mund und Nase werden deswegen als erstes von Fruchtwasser und Blut befreit, damit es diese nicht versehentlich einatmet.

In vielen Krankenhäuser wird anschließend der erste Kontakt zwischen Mutter und Baby ermöglicht. Anschließend erfolgt die erste größere Untersuchung des Säuglings: Der APGAR-Test.

APGAR ist die Abkürzung für 5 verschiedene Untersuchungen, bei denen die Vitalfunktionen untersucht und erste Unregelmäßigkeiten der Entwicklung aufgedeckt werden können.

In jedem Testbereich kann das Baby zwischen 0 und 2 Punkten erzielen.

  • A – Atmung: Die Lunge wird abgehört und damit die Lungenfunktion überprüft. Außerdem beurteilt das medizinische Personal, wie stark sich das Baby beim Atmen anstrengen muss und wie regelmäßig die Atmung insgesamt ist. Kräftige, regelmäßige Atemzüge werden mit 2 Punkten bewertet.
  • P – Puls: Der normale Puls des Neugeborenen liegt bei mind. 100 Schlägen pro Minute. Eine Herzfrequenz > 100 wird mit 2 Punkten bewertet.
  • G – Grundtonus: Der Muskeltonus bzw. die Körperspannung gibt wertvolle Hinweise auf die Vitalität des Babys. Aktive Bewegungen werden mit 2 Punkten bewertet.
  • A – Aussehen: Blasse und bläuliche Hautfarbe deuten auf eine mangelhafte Sauerstoffversorgung des Neugeborenen hin. Hat das Baby nach dem Abtrocknen eine rosige Hautfarbe, erzielt es in diesem Bereich 2 Punkte.
  • R – Reflexe: Neugeborene haben besondere Reflexe, die sich erst im Laufe der Entwicklung zurückbilden. Schreit, niest oder hustet es etwa beim Absaugen, wird die Höchstwertung von 2 Punkten vergeben.

Bewertung des APGAR-Scores[7]

  • 0 – 2 Punkte: Lebensgefährlicher Zustand
  • 2 – 4 Punkte: Schlechter Allgemeinzustand, hoher Bedarf an intensiver Betreuung
  • 4 – 6 Punkte: Reduzierter Allgemeinzustand, Überwachung notwendig
  • 6 – 8 Punkte: Normaler bis guter Allgemeinzustand
  • 8 – 10 Punkte: Ausgezeichneter Allgemeinzustand

Die wenigsten Neugeborenen erzielen bei der ersten Untersuchung innerhalb der ersten Lebensminute die volle Punktzahl. Eltern sollten sich hier nicht zu sehr sorgen. Der Test wird nach fünf und nach zehn Minuten wiederholt.

Hier erreichen dann deutlich mehr der Neugeborenen optimale Werte, wenn sie sich einige Minuten von den Strapazen der anstrengenden Geburt erholen konnten.

Wurde die Geburt durch Medikamente wie z. B. Schmerzmittel unterstützt, kann sich dies ebenfalls negativ auf den APGAR-Score des Babys auswirken. Frühgeborene sind – je nach Geburtswoche – ebenfalls im Nachteil, wenn es um die Bewertung von Atmung, Herzfrequenz oder Reflexen geht.

Neben dem APGAR-Score werden außerdem Größe, Gewicht und Kopfumfang des Babys ermittelt. Alle Untersuchungen, die das Neugeborene innerhalb der ersten Minuten seines jungen Lebens erhält, werden unter dem Begriff Früherkennungsuntersuchung 1 (U1) zusammengefasst.

Bis zu seinem 6. Lebensjahr wird das Kind insgesamt neun Früherkennungsuntersuchungen erhalten. Diese sorgen dafür, dass mögliche Erkrankungen oder Störungen der Entwicklung schnell entdeckt und behandelt werden können.[8]

Stillen nach der Geburt

Sowohl die Nahrungsaufnahme als auch das Schlafen stellen anstrengende und völlig neuartige Anforderungen an den neuen Erdenbürger. Wurde das Baby bisher vollständig über die Nabelschnur mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt, zeigt es in vielen Fällen bereits innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt ein Bedürfnis danach, gestillt zu werden.[9]

Inzwischen ist es gängige Praxis, dass das Neugeborene bereits im Kreißsaal das erste Mal angelegt und gestillt wird. Wenn das nicht gleich beim ersten Versuch gelingt, kann man sich hier auf die Hilfe und Unterstützung der Hebamme verlassen.

Die erste Muttermilch wird Kolostrum genannt. Sie ist dickflüssiger und gelblicher als die gewöhnliche Muttermilch und ist besonders proteinreich. Die Zusammensetzung und auch das Aussehen der Muttermilch ändern sich innerhalb der ersten 18 bis 36 Stunden nach der Geburt. In einem separaten Artikel erklären wir, worauf man in den ersten Tagen nach der Geburt beim Stillen besonders achten muss.

Nach dem Abnabeln und der ersten Vorsorgeuntersuchung bleiben Eltern und Baby in der Regel etwa zwei Stunden im Kreißsaal. Ob danach eine Entlassung aus dem Krankenhaus oder eine Verlegung auf die Normalstation erfolgt, hängt von vielen individuellen Umständen ab.

Rooming-In oder Stationskinderzimmer – Wohin geht es nach dem Kreißsaal?

Je nach Vereinbarung und üblicher Vorgehensweise des jeweiligen Krankenhauses verbringen die Eltern den restlichen Tag mit dem Neugeborenen auf der Wochen- und Neugeborenenstation. Dabei kann die Mutter oft wählen, ob das Baby mit im eigenen Zimmer untergebracht wird.

Gerade wenn die Geburt langwierig, anstrengend und kompliziert war oder auch wenn ein Kaiserschnitt durchgeführt wurde, wünschen sich viele Mütter, ihr Baby in den ersten Tagen auch Mal abgeben zu können.

In vielen Kliniken steht deswegen auch ein Stationskinderzimmer zur Verfügung. Zum Stillen wird es in diesen Fällen zur Mutter gebracht. Den Großteil des Tages liegt es jedoch in seinem Bettchen im Stationskinderzimmer und ist damit von der Mutter getrennt.

Dabei sollte man bedenken, dass ein möglichst enger Kontakt gerade in den ersten Lebenstagen besonders wichtig für die Mutter-Kind-Bindung und das Urvertrauen ist. Dennoch müssen frisch gebackene Mütter kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie in den ersten Tagen Hilfe und Unterstützung benötigen.

Idealerweise können Mütter diese Unterstützung beim sogenannten Rooming-In erhalten. Dabei sind Mutter und Kind im selben Raum untergebracht. Schwestern und Hebammen stehen dabei den Eltern im eigenen Zimmer zur Seite und bieten individuelle Hilfe und Unterstützung an.

In vielen Krankenhäusern ist diese Form der Unterbringung aus personellen Gründen nicht möglich. Anders als bei Stations-Kinderzimmern wird für die individuelle Betreuung auf den einzelnen Zimmern mehr Pflegepersonal benötigt.[10]

Man sollte sich deswegen schon vor der Geburt überlegen, wie man sich die Zeit zwischen der Geburt und der Entlassung nach Hause vorstellt. Für den Fall einer besonders schweren und anstrengenden Geburt oder eines Kaiserschnittes kann man auch schon vor der Geburt innerhalb der Familie um Unterstützung bitten.

Auf diese Weise muss die Mutter nicht auf ihre Autonomie verzichten und kann gleichzeitig so viel Zeit wie möglich mit ihrem Baby verbringen, ohne davon überfordert zu werden.

Schlafverhalten in den ersten 24 Stunden

Viele Neugeborene schlafen noch im Kreißsaal während des Stillens an der Brust der Mutter ein. Auf der Normalstation angekommen, bekommt das Baby je nach Ausstattung der Klinik ein Baby- oder Beistellbett, in dem es so nahe wie möglich bei der Mutter verbleiben kann.

Das Schlafbedürfnis von Neugeborenen ist sehr unterschiedlich. Einige Babys schlafen direkt nach dem ersten Stillen bis zu sechs Stunden am Stück, einige erwachen bereits nach wenigen Minuten wieder. Insgesamt schläft das Baby in den ersten 24 Stunden seines Lebens durchschnittlich etwa 16-18 Stunden

Bis sich der Schlafrhythmus eingependelt hat, können Tage bis Wochen vergehen. Weil hier viele Faktoren eine wichtige Rolle spielen und Schlafschwierigkeiten für viele Eltern eine hohe Belastung darstellen, widmen wir diesem Thema einen gesonderten Artikel.

Quellen

[1]https://www.baby-und-familie.de/Geburt/Im-Kreisssaal-Was-passiert-nach-der-Geburt-461599.html

[2]https://www.babyartikel.de/magazin/nabelschnur

[3]https://www.baby-und-familie.de/Gesundheit/Richtige-Nabelpflege-bei-Neugeborenen-199373.html

[4]https://www.babyartikel.de/magazin/nabelschnur#Nabelschnurblut

[5]https://www.wissensschau.de/stammzellen/nabelschnurblut_stammzellen_einlagerung_kosten_wert.php

[6]https://www.stammzellspenderdatei.de/nabelschnurblut/wie-kann-ich-nabelschnurblut-spenden

[7]https://www.minimed.at/medizinische-themen/gesundes-kind/apgar-score/

[8]https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/kindergesundheit/frueherkennungsuntersuchung-bei-kindern.html

[9]https://www.pregnancybirthbaby.org.au/babys-first-24-hours

[10]https://www.eltern.de/schwangerschaft/geburt/rooming-in.html

Bildquellen

Illustrationen: Natalya Zelenina