Das erste Mal stillen – Das erwartet Mutter und Kind in den ersten Lebenstagen

Aktualisiert am: 03.02.2022

Mütter, die sich für das Stillen entscheiden, leisten einen wichtigen Beitrag zu einer gesunden Ernährung. Muttermilch enthält die ideale Kombination an Nährstoffen und ist perfekt auf die Bedürfnisse des Babys abgestimmt.

Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO bestätigt, dass Muttermilch allen Ersatznahrungsmitteln für Säuglingen überlegen ist.[1]

Zahlreiche Studien zeigen deutlich die Vorteile des Stillens:

  • Optimale Nährstoffzusammensetzung
  • Muttermilch enthält lebende Bestandteile wie Stammzellen und weiße Blutkörperchen[2]
  • Muttermilch enthält Hormone, Enzyme und Antikörper für eine gesunde Entwicklung der Organe und des Immunsystems[3]
  • Muttermilch kann den Schlafrhythmus verbessern[4]
  • Muttermilch verbessert die Entwicklung des Gehirns[5]
  • Stillen reduziert das Risiko für den plötzlichen Kindstod um bis zu 50%[6]
  • Stillen beruhigt und tröstet bei Erkrankungen
  • Stillen verbessert durch die Ausschüttung von Oxytocin die Mutter-Kind-Bindung[7]
  • Stillen reduziert das Risiko, an bestimmten Krebsarten zu erkranken[8]

Neben der intensiven Mutter-Kind-Bindung profitiert jedoch auch die Mutter vom Stillen. Durch die Ausschüttung von Hormonen wie Oxytocin – auch bekannt als das Kuschelhormon – wird die Milchproduktion angeregt. Das Hormon sorgt außerdem für eine Reduktion von Stress und Ängsten.

Stillende Mütter leiden außerdem seltener an hohen Blutverlusten nach der Geburt. Eisenmangel und Blutarmut treten bei ihnen deutlich seltener auf.[9]

Beim Stillen werden täglich etwa 670 kcal zusätzlich aufgewendet.[10] Der zusätzliche Energieverbrauch hilft dabei, in der Schwangerschaft zugenommenes Gewicht schneller zu verlieren.

Zusätzlich zu allen gesundheitlichen Vorteilen spart das Stillen außerdem eine Menge Geld. Stillende Mütter müssen sich außerdem über die Verfügbarkeit von Säuglingsnahrung keine Gedanken machen, weil Muttermilch überall und jederzeit verfügbar ist.

Das erste Anlegen

Geht bei der Geburt alles glatt, wird das Baby in den meisten Fällen innerhalb der ersten Stunde das erste Mal gestillt. Neben der Nahrungsaufnahme profitieren Mutter und Kind dabei vor allem von der körperlichen Nähe und der Ausschüttung von Hormonen, die dafür sorgen, dass sich beide von den Strapazen der anstrengenden Geburt erholen können.

Je schneller das erste Anlegen nach der Geburt erfolgt, desto besser wird die Milchbildung angeregt. Viele Krankenhäuser ermöglichen deswegen den ersten Stillversuch bereits im Kreißsaal.

Viele Mütter erleben, dass die ersten Stillversuche eine Herausforderung sein können. Den ersten Wunsch nach dem gestillt werden zeigt das Baby jedoch meist nicht aufgrund des Hungergefühls, sondern wegen seines Bedürfnisses nach Nähe, Ruhe und Entspannung.

Mit der Unterstützung einer Hebamme sollte jedoch innerhalb der ersten vier bis sechs Stunden das effektive Stillen erreicht werden, um die Milchproduktion anzuregen. Die erste Muttermilch ist außerdem auf eine besondere Art und Weise zusammengesetzt und deswegen besonders wertvoll für das Baby.

Das sogenannte Kolostrum unterscheidet sich von „normaler“ Muttermilch vor allem in der Farbe, der Konsistenz und der Nährstoffzusammensetzung. Die Erstmilch ist häufig gelblicher und dickflüssiger als Muttermilch.

Sie zeichnet sich außerdem durch einen hohen Anteil an Natrium, Proteinen und Antikörpern aus und enthält weniger Kohlenhydrate, Kalium und Fett.[11] Die spezielle Zusammensetzung erhöht beim Säugling den Infektionsschutz.

Kolostrum ist leicht abführend und regt so den Absatz des ersten Stuhlganges an. Davon profitieren vor allem Babys, die unter Neugeborenengelbsucht leiden. Mit dem ersten Stuhlgang des Babys – Kindspech bzw. Mekonium genannt – wird eine große Menge an Bilirubin ausgeschüttet. Dieser rote Farbstoff ist für die Neugeborenengelbsucht verantwortlich.

So erkennt man, ob das Baby Hunger hat

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich die Praxis durchgesetzt, dass Babys alle drei bis vier Stunden gestillt werden müssen; auch nachts. Durch diesen unnatürlichen Rhythmus mussten viele Mütter früher als gewollt abstillen, weil die Milchmenge nicht ausreichte.

In der modernen Stillpraxis zeigt sich heutzutage, dass Mutter und Kind davon profitieren, das Stillen am Bedarf des Babys festzumachen. Weil Neugeborene sich kaum mitteilen können, sollten Mütter auf die Signale des Babys achten, um festzustellen, ob es hungrig ist.

Zu Beginn zeigt sich der Hunger des Neugeborenen vor allem durch Mund- und Lippenbewegungen, Saugbewegungen oder das leichte Herausstrecken der Zunge. Das Zucken der Augenlider kann ebenfalls ein erstes Hungerzeichen sein.

Mit fortschreitendem Hunger wird das Baby zunehmend unruhiger. Es wirkt unzufrieden, nimmt die Hand oder einzelne Finger in den Mund oder beginnt zu weinen. Nickende Kopfbewegungen zeigen ebenfalls Hunger an und sind als Suchbewegung nach der Brust zu interpretieren.

Spätestens bei diesen Anzeichen ist der ideale Zeitpunkt für das Anlegen und Stillen erreicht. Vor allem mit dem Suchen nach der Brust zeigt das Neugeborene eine hohe Bereitschaft zum Stillen.

Ist das Anlegen nicht möglich oder verpasst die Mutter diese aktiven Anzeichen des Hungers, beginnt das Baby zu schreien. Die Körperspannung kann sich erhöhen und auch die Atemfrequenz des Babys steigt merklich an.

Ein so aufgebrachtes Baby anzulegen kann eine große Herausforderung sein. Mit der hohen Körperspannung und dem Stress, den der Hunger verursacht, sind viele Babys so überfordert, dass sich nicht mehr aktiv stillen können.

In diesen Fällen empfiehlt es sich, das Baby zunächst zu beruhigen und dann einen Anlegeversuch zu unternehmen. In der Regel spielen Mutter und Kind sich nach einigen Tagen des Stillens so weit ein, dass das Bedürfnis nach dem Stillen sicher erkannt und befriedigt werden kann.

Einen Rhythmus muss man dafür nicht etablieren. Das Baby kann immer dann gestillt werden, wenn es erste Anzeichen von Hunger zeigt. Die meisten Säuglinge pendeln sich bei etwa acht bis zwölf Mal Stillen in 24 Stunden ein. Die Abstände können dabei variieren.

Die beste Stillposition

Die wichtigsten Faktoren beim Stillen sind definitiv Ruhe und Entspannung. Damit das Stillen für Mutter und Kind möglichst angenehm und mühelos von der Hand geht, benötigen beide eine bequeme Position, die auch längere Zeit ermüdungsfrei gehalten werden kann.

Die beste Stillposition ermöglicht dabei einen engen Kontakt zwischen Mutter und Kind. Das Baby sollte die Brust gut mit Nase und Mund erreichen und gleichzeitig seine Hände links und rechts neben der Brust ablegen können.

Der Körper sollte in einer Linie sein, ohne dass Kopf und Nacken überstreckt werden. Weil Neugeborene ihren Kopf selbst noch nicht halten können, empfiehlt sich vor allem zu Beginn der Stillzeit das Stillen in zurückgelehnter Körperhaltung.

Beim sogenannten Laid-Back-Nursing befindet sich die Mutter in einer entspannten Sitz-Liege-Position. Das Baby liegt auf Brust und Bauch. Größter Vorteil für die Mutter ist hier, dass sie das Baby nicht aktiv tragen oder abstützen muss.

Dem Baby ermöglicht diese Stillposition ein aktives Suchen nach der Brust und volle Kontrolle über den kompletten Stillvorgang. Es kann in seinem eigenen Tempo nach der Nahrungsquelle suchen und selbstständig andocken. Ermöglicht wird dies durch seinen angeborenen Instinkt.

Der dafür verantwortliche Reflex wird bei dieser Stillposition gefördert und entwickelt, sodass er später auch in anderen Stillsituationen sicher abgerufen werden kann. Besonders wichtig ist dies bei Babys, die mit dem Stillen Probleme haben.

Beim Laid-Back-Nursing entsteht außerdem ein enger Körperkontakt, der die Mutter-Kind-Bindung fördert und beim Kennenlernen hilft. Weil das Baby in dieser Körperhaltung die Kontrolle behält, kann es eigenständig entscheiden, wann sein Bedarf gedeckt ist.

Laid-Back-Nursing gilt noch immer als relativ neue Stillpraxis, wird jedoch zunehmend von Hebammen empfohlen. Besonders profitieren hier Mütter, die Stillproblemen entgegenwirken wollen oder bei denen bereits Schwierigkeiten beim Anlegen oder mit der Verweigerung der Brust eingetreten sind.

Wenn Mutter und Kind sich beim Stillen eingependelt haben, können auch andere Stillpositionen ausprobiert werden. Der Klassiker ist hier die sogenannte Wiegehaltung.

In aufrechter Sitzhaltung hält die Mutter hier das Baby im rechten oder linken Arm vor ihre Brust. Der Oberschenkel des Babys liegt in der Hand der Mutter. Köpfchen und Rücken werden vom Arm gestützt. Größter Vorteil hier: Die Mutter hat eine Hand frei, um das Baby beim Stillen zu unterstützen.

Bei längerem Stillen kann diese Körperhaltung für die Mutter ermüdend sein. Ein Stillkissen erweist sich hier als besonders hilfreich. Die Wiegehaltung kann auch unterwegs problemlos eingesetzt werden, ist jedoch ohne Polsterung durch Kissen oder Armlehnen auf Dauer anstrengend.

Alternativ kann das Köpfchen mit der freien Hand gestützt werden. Bei dieser abgewandelten Variante kann die Mutter die intuitiven Suchbewegungen des Babys aktiv unterstützen.

Beliebt ist auch das Stillen in Liegen. Mutter und Kind liegen hier einander zugewandt. Durch die Seitenlage erfordert diese Position jedoch etwas Übung, weil die Brust die Sicht auf das Baby erschwert.

Das Stillen im Liegen hat vor allem Vorteile für Babys, die gerne und häufig beim Stillen einschlafen. Eine sichere Umgebung vorausgesetzt, ermöglicht das Stillen in Seitenlage der Mutter aufzustehen, während der eingeschlafene Säugling liegen bleiben und weiterschlafen kann.

Hilfsmittel zum Stillen

Auch wenn das Stillen die natürlichste Ernährungsform für das Baby darstellt, sehen sich vor allem Mütter von Erstgeborenen häufig vor eine große Herausforderung gestellt. Will es mit dem Stillen gar nicht klappen, sollte die Hebamme der erste Ansprechpartner sein.

Sie kann Tipps zu verschiedenen Stillpositionen geben und die Mutter auch über Hilfsmittel beraten. Die große Auswahl an Stillzubehör kann dabei suggerieren, dass zum Stillen eine Menge Equipment benötigt wird.

Von dem Angebot sollte man sich nicht verunsichern lassen: Die meisten Hilfsmittel sind nur in Ausnahmesituationen nötig und dann auch hilfreich. Zu viele oder die falschen Hilfsmittel können mehr schaden als nutzen. Neben der Brust, der Intuition und einer gesunden Portion Geduld können einige Hilfsmittel das Stillen jedoch deutlich erleichtern.

Still-BH

Der Still-BH ist auf die Bedürfnisse der Brust nach der Geburt abgestimmt. Er gibt durch sein besonders stützendes Material festen Halt und wird von vielen Müttern als sehr bequem empfunden. Die richtige Größe ist dabei besonders wichtig.

Wer sich unsicher ist, kauft am besten Still-BHs in zwei verschiedenen Größen. Zur Orientierung kann dabei die Körbchengröße kurz vor der Geburt verwendet werden. Die meisten stillenden Mütter benötigen eine Größe mehr als im letzten Schwangerschaftsdrittel.

Auf der sicheren Seite ist man, wenn man den Still-BH erst nach der Geburt kauft. Um die richtige Größe zu ermitteln, verwendet man idealerweise einen Größenrechner, den viele Hersteller auf ihren Internetseiten anbieten.

Still-BH sind in verschiedenen Ausstattungsvarianten erhältlich. Die Wahl hängt hier von den persönlichen Vorlieben ab. Viele Mütter empfinden Still-BHs mit aufklappbaren Körbchen als besonders praktisch, weil sie das diskrete Stillen unterwegs ermöglichen.

Stilleinlagen

Stilleinlagen werden im Still-BH platziert und sorgen für ein sauberes und trockenes Klima. Die weiche, saugfähige Oberfläche nimmt überschüssige Muttermilch auf und verhindert so ein Durchfeuchten der Oberbekleidung.

Gleichzeitig verhindern Stilleinlagen übermäßige Reibung und damit auch wunde oder entzündete Brustwarzen. Zahlreiche Hersteller bieten Stilleinlagen in verschiedenen Qualitäten und Materialien an.

Wichtig ist hier vor allem, dass das Produkt atmungsaktiv und saugfähig ist. Ob man sich für waschbare, wiederverwendbare Stilleinlagen oder Einwegprodukte entscheidet, ist vor allem eine Frage des Geldes und des Umweltschutzes.

Stillkissen

Viele Mütter können sich das Stillen ohne Stillkissen gar nicht vorstellen. Die speziell geformten Polster bieten einen hohen Komfort beim Stillen und ermöglichen verschiedene Stillpositionen.

Gefüllt sind Stillkissen in den meisten Fällen mit Polyester-Hohlfasern oder Schaumstoff. Beliebt sind außerdem Modelle mit Mikrokügelchen. Sie passen sich besonders gut allen Körperkonturen an und bieten eine hohe Flexibilität und viele Einsatzmöglichkeiten.

Milchpumpe und Zubehör

Viele Müttern kaufen eine Milchpumpe bereits mit der Erstausstattung. Manchmal kann es jedoch sinnvoll sein, mit dieser Investition noch zu warten. Die große Auswahl an Modellen ist auf unterschiedliche Bedürfnisse zugeschnitten. Den eigenen Bedarf kennt man jedoch häufig erst, wenn man mit dem Stillen bereits begonnen hat.

Manuelle Milchpumpen sind dabei günstiger in der Anschaffung und zeichnen sich durch eine leise Betriebsweise aus. Allerdings empfinden viele Mütter die Anwendung dauerhaft als anstrengend und wenig komfortabel.

Bei einer elektrischen Milchpumpe wird vom Gerät ein Vakuum erzeugt, sodass die Milch ohne weitere Zutun der Mutter abgepumpt wird. Die Muttermilch wird in Beuteln oder Fläschchen aufgefangen und kann so beispielsweise gefüttert werden, wenn Mutter und Baby voneinander getrennt sind.

Zusätzlich benötigt man zur Milchpumpe Fläschchen und Sauger zum Füttern und unter Umständen auch einen Sterilisator zur hygienischen Reinigung der Zubehörteile.

Muttermilch kann außerdem in dafür geeigneten Behälter eingefroren werden und ist bei einer Temperatur von -18° C dann etwa sechs Monate haltbar.

 

Stillhütchen

Stillhütchen sind aus weichem, flexiblen Silikon gefertigt und in verschiedenen Größen erhältlich. Sie werden auf die Brustwarze aufgesetzt und sollen das Stillen deutlich vereinfachen.

Weil sie länger, breiter und fester als die Brustwarze sind, erzeugen sie einen starken Saugreflex beim Baby. Gewollt ist dies immer dann, wenn der Reflex nur gering ausgeprägt ist und das Stillen sonst nicht möglich wäre.

Während der Saugreflex deutlich erhöht wird, benötigt das Baby jedoch bedeutend weniger Kraft. Für schwache, kranke oder frühgeborene Babys ist der Einsatz deswegen empfehlenswert.

Dieses Hilfsmittel gerät jedoch immer wieder in die Kritik, weil es das Stillen zwar zu Beginn erleichtert, im Laufe der Lebensmonate aber erschweren kann. Babys, die sich einmal an die Verwendung eines Stillhütchens gewöhnt haben, können oft nur mühsam auf das natürliche Stillen ohne Hilfsmittel umgestellt werden.

In vielen Kliniken werden Stillhütchen außerdem aus personellen Gründen standardmäßig an die Mütter verteilt. Als Ersatz für eine ausführliche Stillberatung und individuelle Hilfestellung sind sie so eine einfache, schnelle und kostengünstige Lösung für Frauen mit Stillproblemen.

Kritiker geben außerdem zu bedenken, dass Stillhütchen die Ausschüttung von Stillhormonen negativ beeinflussen können. Außerdem bedecken die Silikonhütchen jeden Duftdrüsen rund um die Brustwarze, die dem Baby das Suchen und Andocken an der Burstwarze ermöglichen.

Fakt ist, dass vielen Müttern das Stillen erst mit der Verwendung eines Stillhütchens möglich gemacht wird. Der inflationäre Einsatz des Hilfsmittels sollte jedoch wohl überlegt sein.[12]

Still-Apps

Im 21. Jahrhundert gibt es für fast jede erdenkliche Aufgabe im Alltag eine App. Vor dem Stillen machen die Entwickler selbstverständlich auch nicht Halt. Im Alltag empfinden viele Mütter Still-Apps als sehr praktisch, weil sie helfen den Überblick zu behalten.

In die Still-App kann beispielsweise eingetragen werden, wann das Baby zuletzt gestillt wurde. Das Tracking ermöglicht so gerade in der Anfangszeit, einen Überblick über den Bedarf und den Rhythmus des Babys zu bekommen.

In die App kann außerdem eingetragen werden, an welche Brust das Baby beim letzten Mal angelegt wurde. Wer sich das nicht merken kann, findet mit dem digitalen Still-Tagebuch eine gute Erinnerungsstütze.

Viele Apps geben außerdem Raum für weitere Eintragungen wie z. B. das Schlafverhalten, Größe und Gewicht des Babys oder die Anzahl der Windelwechsel.

Stillen in der Öffentlichkeit

Der größte Vorteil des Stillens ist, dass das Baby jederzeit und überall gefüttert werden kann. Muttermilch ist perfekt temperiert, muss nicht extra angemischt werden und ist quasi immer im Gepäck.

Das Stillen in der Öffentlichkeit macht viele Mütter dennoch nervös, weil kritische Blicke der Mitmenschen für Unsicherheit sorgen können. Öffentliche Diskussionen in den Medien und sozialen Netzwerken tragen ebenfalls nicht dazu bei, dass Mütter sich beim Stillen in der Öffentlichkeit sicher und wohl fühlen.

Gerade in den jüngeren Generationen erfährt das Thema jedoch zunehmend an Toleranz, sodass das Stillen an öffentlichen Plätzen oder beispielsweise im Café in vielen Fällen problemlos möglich ist.

Besonders störend für Beobachter ist beim Stillen in der Öffentlichkeit, dass die Brust der Mutter zu sehen ist. Hier kann jedoch leicht Abhilfe geschaffen werden.

Still-BH mit aufklappbaren Körbchen entblößen nur so viel von der Brust, wie zum Stillen erforderlich ist. Ein ähnliches Prinzip machen sich auch Still-Shirts zunutze. Sie bieten einen gut zugänglichen Eingriff, sodass das Oberteil nicht vollständig ausgezogen werden muss.

Als hilfreich wird auch das Stillen in einem Tragetuch empfunden. Das Textil schirmt große Bereich der Brust ab und bietet so ein hohes Maß an Privatsphäre. Für Diskretion sorgen auch große Hüte, die man dem Baby beim Stillen aufsetzen kann.

Um beim Stillen in der Öffentlichkeit möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen, sollte man mit dem Füttern außerdem nicht warten, bis das Baby schon vor Hunger weint. Ein entspanntes Baby lässt sich sehr viel leichter anlegen und schneller sättigen.

Wichtig zu wissen ist außerdem, dass Stillende in Deutschland nicht ausreichend gesetzlich geschützt sind. Während beispielsweise in Großbritannien die Diskriminierung von stillenden Müttern in der Öffentlichkeit durch das Gleichheitsgesetz untersagt ist, gibt es in Deutschland keine einheitliche Regelung.

Das Stillen ist hier also weder ausdrücklich erlaubt noch verboten. Gerade in Gaststätten oder Cafés muss jedoch damit gerechnet werden, dass das Stillen untersagt werden kann. Abgedeckt ist dieser Handlungsspielraum des Gastwirtes durch die Ausübung seines Hausrechtes.[13]

Zufüttern mit Milchnahrung

Gelegentlich kann es vorkommen, dass zusätzlich zum Stillen auch Flaschennahrung zum Einsatz kommen muss. Wer von seinem Kinderarzt oder der Hebamme die Empfehlung zum Zufüttern erhält, macht sich häufig Sorgen, dass dies zu einem schnelleren Abstillen in der nahen Zukunft führen wird.

Trotz aller Bemühungen ist das Vollstillen für manche Babys nicht ausreichend. In diesen Fällen muss das Defizit mit abgepumpter Muttermilch oder mit Milchnahrung für Säuglinge ausgeglichen werden. Dafür gibt es viele individuelle Gründe. Zu den wichtigsten gehören

  • Gewichtsabnahme von mehr als 10%
  • Wenn das Baby nach 10 – 14 Tagen weniger wiegt als bei der Geburt
  • Schmerzen beim Anlegen
  • Erkrankung der Mutter
  • Medikamenteneinnahme der Mutter
  • Schneller Wiedereinstieg in den Beruf
  • Vermeiden des Stillens in der Öffentlichkeit
  • Verweigern der Brust
  • Nicht ausreichende Milchmenge
  • Zwillinge und Mehrlingsgeburten
  • Nicht ausreichende Sättigung des Babys

Zum Zufüttern wird immer noch sehr häufig das Fläschchen verwendet. Der Klassiker ist überall erhältlich, einfach in der Anwendung und wird von vielen Babys problemlos akzeptiert. Zu Bedenken ist jedoch, dass beim Trinken aus dem Fläschchen deutlich weniger Kraft aufgewendet werden muss.

In Folge dessen tun sich viele Babys anschließend an der Brust noch schwerer, weil das Saugen mühsamer ist und das Füttern länger dauert. Diese sogenannte Saugverwirrung kann zu einem frühen Abstillen führen, weil das Baby die Brust komplett verweigert.

Inzwischen gibt es jedoch zahlreiche Alternativen, um das Zufüttern ohne Fläschchen zu ermöglichen. Wichtig ist, dass das Baby trotz Hilfsmittel an der Brust gefüttert wird, damit es die Assoziation zwischen Brust und Nahrungsaufnahme nicht verliert.

Zu den erprobten Möglichkeiten gehören unter anderem

  • Löffelfütterung: Auch Säuglinge können vorsichtig mit einem kleinen Löffel gefüttert werden. An der Zungenspitze des Babys platziert, können mit dem Löffeln kleine Mengen Muttermilch, Milchnahrung oder Kolostrum gefüttert werden.
  • Spritze/ Fingerfeeder: Die spezielle Spritze verfügt über einen Silikonaufsatz, über den Milch in den Mund des Babys gespritzt wird. Die Anwendung erfordert etwas Übung, eignet sich aber sehr gut für Babys, die bei Verweigerung der Brust an das Stillen herangeführt werden sollen.
  • Becher: Kleine Becher mit weichem Rand sind gut zur Fütterung von Säuglingen geeignet. Das Baby kann die Milch mit der Zunge aus dem Becher aufnehmen. Als Alleinlösung eignet sich der Becher jedoch nicht, weil er den Saugreflex nicht bedient.
  • Ernährungssonde: Die Ernährungssonde ist an einer Spitze befestigt. Über den Kolben kann die Mutter die Milchmenge dosieren. Idealerweise wird der dünne Plastikschlauch an der Brust der Mutter befestigt und simuliert so das natürliche Stillen.

Die Alternativen zum Fläschchen sind also vielfältig. Insbesondere wenn das Zufüttern in der Anfangsphase geschieht und zeitlich begrenzt ist, lohnt es sich, einen Versuch abseits des Fläschchens zu wagen. In vielen Fällen kann so ein vorzeitiges Abstillen vermieden werden. Über die verschiedenen Optionen kann man sich unter anderem von der Hebamme beraten lassen.

Quellen

[1] Michaelsen, Weaver, Branca, Robertson: Feeding and nutrition of infants and young children, S. 127

[2]https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25469400

[3]https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23178060

[4]https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19178785

[5]https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23721722

[6]https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19254976

[7]https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22580735

[8]https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18449131

[9]https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11236722

[10]https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9240917

[11]https://flexikon.doccheck.com/de/Kolostrum

[12]https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2006/daz-16-2006/uid-15765

[13]https://www.bundestag.de/resource/blob/436874/562f377b30a97efb9d18ad95112eedb3/WD-7-092-16-pdf-data.pdf

Bildquellen

Illustrationen: Natalya Zelenina

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Mother breastfeeding baby on park bench © Depositphotos.com/lofilolo

Closeup of mother feeding newborn baby from bottle © Depositphotos.com/Kryzhov